Die Folge, in der es um Abschied vom Guru? 2.0 geht. (Teil 2)
Die Folge, in der es um "Abschied vom Guru?" 2.0 geht.(Teil 2) Gäste: Thomas Voß und Markus Schulze Beschreibung: In dieser Episode von "Waldorf Perspektiven" geht es weiter im Gespräch mit Markus Schulze und Thomas Voß. In der vorherigen Episode sind wir näher auf den Text eingegangen und die konkreten Rassismusvorwürfe die es gegenüber der Anthroposophie gibt. Heute gehen wir näher auf die konkrete Anwendung in der Waldorfpädagogik ein, die Haltung und Auseinandersetzung gegenüber Kritikvorwürfen und ganz konkrete Handlungsvorschläge und Wünsche für die Zukunft. Jeden ersten und dritten Dienstag im Monat um 06:30 Uhr auf TIDE.radio und alle zwei Wochen auf eurer Lieblings-Podcast-Plattform.
Inspiriert durch den Artikel "Abschied vom Guru?" aus der Zeitschrift "Erziehungskunst" im Dezember 2002, beleuchten beide Gäste die Notwendigkeit einer differenzierten und kritischen Auseinandersetzung mit Steiners Lehren.
In dieser Episode setzen wir unsere Diskussion über die Waldorfpädagogik und die damit verbundenen Herausforderungen fort. Unsere Gäste Markus Schulze und Thomas Vogt sprechen über den Umgang mit den kritischen Aspekten von Rudolf Steiners Werk, insbesondere den Vorwürfen des Rassismus und Antisemitismus. Wie können Waldorfschulen und Anhänger der Anthroposophie sicherstellen, dass ihre Ablehnung von Diskriminierung klar zum Ausdruck kommt? Wie begegnet man dem schwierigen Erbe Steiners und den Herausforderungen der heutigen Zeit?
Themenübersicht:
00:00 - Einleitung: Kurze Zusammenfassung des ersten Teils und Vorstellung der Gäste. 00:22 - Rückblick: Diskussion über die Veröffentlichung in der „Erziehungskunst“ und den Umgang mit der Kritik an Rudolf Steiner. 00:47 - Vertiefung der Vorwürfe: Markus Schulze und Thomas Vogt erläutern die antisemitischen und rassistischen Vorwürfe gegenüber Steiners Texten. 01:29 - Positionierung: Wie können Waldorfschulen klar gegen Rassismus und Diskriminierung auftreten? 02:38 - Diskurs und Kritik: Die Bedeutung eines offenen und differenzierten Diskurses innerhalb der Waldorfbewegung. 04:42 - Soziale Medien und Waldorfpädagogik: Die Rolle der Waldorfpädagogik in der digitalen Welt und wie sie auf Kritik reagiert. 10:18 - Steiners Diskursfähigkeit: Kritische Betrachtung der historischen und aktuellen Relevanz von Steiners Ansätzen. 16:06 - Analyse der Goetheanum-Stellungnahme von 2021: Markus und Thomas bewerten die Stellungnahme des Goetheanum zu Rassismus in der Anthroposophie. 25:04 - Waldorfpädagogik und Menschlichkeit: Diskussion über die Rolle der Waldorfpädagogik in der Förderung von Menschlichkeit und interkulturellem Verständnis. 32:10 - Diskursbereitschaft und Engagement: Die Notwendigkeit, innerhalb der Waldorfbewegung mehr Diskursbereitschaft zu zeigen und aktiv gegen Rassismus vorzugehen. 39:17 - Schlussgedanken: Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft der Waldorfschulen und der Anthroposophie.
Highlights der Episode:
Kritische Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner
Die Gäste diskutieren intensiv über die antisemitischen und rassistischen Vorwürfe gegenüber Rudolf Steiners Werk und beleuchten die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung seiner Texte in der heutigen Zeit. Zitate Markus Schulze: „Es gibt rassistische Stellen bei Steiner, die wir kritisch betrachten müssen. Wir können nicht einfach sagen, die Anthroposophie ist grundsätzlich gegen Rassismus und Nationalismus – das wäre zu einfach.“ Thomas Voß: „Wir müssen Steiner so sehen, wie er war: eine komplexe Figur mit verschiedenen Facetten, die es erfordert, seine Aussagen in ihrem historischen Kontext kritisch zu hinterfragen.“ Diskurs und Umgang mit Kritik
Es wird betont, wie wichtig es ist, innerhalb der Waldorfbewegung eine offene und angstfreie Diskussion zu führen, anstatt in Abwehrreflexe zu verfallen. Dabei wird auch die Stellungnahme des Goetheanum von 2021 kritisch hinterfragt. Zitate Markus Schulze: „Die Diskursbereitschaft muss größer werden. Wir dürfen nicht sofort in Abwehrhaltungen verfallen, sondern müssen uns der Kritik stellen und sie ernst nehmen.“ Thomas Voß: „Wir dürfen uns nicht wundern, wenn wir als rückwärtsgewandt wahrgenommen werden, wenn wir uns nicht aktiv mit der Kritik auseinandersetzen. Das Annehmen von Kritik stärkt uns langfristig.“
Rolle der Waldorfpädagogik in der modernen Welt
Die Episode thematisiert die Herausforderungen und Chancen, die sich für die Waldorfpädagogik in einer globalisierten und digitalen Welt ergeben. Besonders die Präsenz in sozialen Medien wird als wichtiger Baustein für die Zukunft gesehen. Zitate Markus Schulze: „Die Waldorfpädagogik muss mutiger werden und sich stärker in den sozialen Medien präsentieren, um auch in der heutigen digitalen Welt relevant zu bleiben.“ Thomas Voß: „Die Zukunft der Waldorfpädagogik liegt darin, dass wir unsere Präsenz in der Welt des Internets und der sozialen Medien deutlich verstärken müssen, um die jüngeren Generationen zu erreichen.“
Steiners Dualität – Guru und Zuhörer
Es wird diskutiert, wie Rudolf Steiner einerseits als autoritärer Lehrer und andererseits als empathischer Zuhörer wahrgenommen wurde und wie diese Dualität in der heutigen Betrachtung seines Werks berücksichtigt werden sollte. Zitate Markus Schulze: „Steiner trat oft als Guru oder Priester auf, aber es gab auch die Seite von ihm, die unglaublich gut zuhören konnte – das muss man zusammen betrachten.“ Thomas Voß: „Steiner hatte einerseits den Vorsatz, Personenkult zu vermeiden, aber gleichzeitig trat er oft als autoritäre Figur auf. Diese Dualität ist entscheidend für das Verständnis seiner Rolle.“
Förderung von Menschlichkeit und Interkulturalität
Die Bedeutung der Waldorfpädagogik für die Förderung von Menschlichkeit und interkulturellem Verständnis wird hervorgehoben. Es wird darüber gesprochen, wie Waldorfschulen ihre Angebote inklusiver und vielfältiger gestalten können. Zitate Markus Schulze: „Die Waldorfpädagogik muss die Individualität des Kindes in den Vordergrund stellen, unabhängig von Hautfarbe oder kulturellem Hintergrund. Das ist zentral für eine interkulturelle Erziehung.“ Thomas Voß: „Es ist wichtig, dass wir als Waldorflehrer eine Haltung entwickeln, die frei von Vorurteilen ist und die menschliche Würde jedes Kindes anerkennt und fördert.“
Aktuelle Relevanz und politische Bildung
Die Episode betont die Notwendigkeit, Themen wie Rassismus und Antisemitismus stärker in den Unterricht an Waldorfschulen zu integrieren und die politische Bildung der Schüler zu fördern, um sie besser auf die Herausforderungen der heutigen Gesellschaft vorzubereiten. Zitate Markus Schulze: „Wir müssen mehr politische Bildung in die Schulen bringen. Schüler sollten die gesellschaftspolitischen Realitäten besser verstehen, um gegen Rassismus und Antisemitismus gewappnet zu sein.“ Thomas Voß: „Die Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus und Antisemitismus ist heute genauso relevant wie vor 100 Jahren, vielleicht sogar noch mehr. Das muss Teil unserer Bildungsarbeit sein.“
Zukunft der Waldorfpädagogik
Zum Abschluss werden Wünsche und Hoffnungen für die Weiterentwicklung der Waldorfpädagogik geäußert, mit einem klaren Appell für mehr Diskursbereitschaft, Engagement und die Überwindung von Bequemlichkeit in der Bewegung. Zitate Markus Schulze: „Wir brauchen mehr Engagement und eine stärkere Bereitschaft, uns den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen. Das erfordert Mut und die Fähigkeit, Bequemlichkeit zu überwinden.“ Thomas Voß: „Die Zukunft der Waldorfpädagogik liegt in einem offenen Diskurs, in der Bereitschaft zur Selbstkritik und im Mut, neue Wege zu gehen. Wir müssen uns ständig weiterentwickeln.“
Literaturhinweise: Wozu Rassismus: https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/514062/wozu-rassismus/
Steiner und Rassismus: https://info3-verlag.de/projekte/frankfurter-memorandum/ https://www.anthroposophie-gegen-rassismus.de
Steiners Entwicklungsgedanke, der sich wie ein roter Faden durch die Anthroposophie und Waldorfpädagogik zieht und damit im Zusammenhang stehend Steiners Kulturstufenmodell, bei dem KritikerInnen auf die Gefahr der Hierarchisierung und strukturellen Diskriminierung verweisen sind die entscheidenden Punkte, von denen die Waldorfschulen sich distanzieren müssen. Sowohl beim Entwicklungs- und Evolutionsgedanken als auch dem Kulturstufenmodell, bei dem Steiner Völker (und leider auch „Rassen“) in verschiedene sich abwechselnde, aufeinander aufbauende, sich höher entwickelnde „Kulturen“ einteilte, werfen in der Tat Fragen auf und können trotz historischer Kontextualisierung so nicht hingenommen werden. KritikerInnen sehen hier berechtigterweise die Gefahr der Hierarchisierung, der Diskriminierung und des Rassismus. Markus (als Biologe) und Thomas (als Historiker) bewegt schon seit längerem die Frage, ob und in welcher Weise Steiners Denken „kontaminiert“ ist bzw. war von dem Denken des Evolutionsforschers (Rassisten, Sozialdarwinisten und Eugenikers) Ernst Haeckel (1834-1919). Um sich von dieser Haltung und Richtung zu distanzieren - auch Rudolf Steiner war ein Lernender - müssen diese Texte in der WaldorflehrerInnenausbildung wachsam zur Kenntnis genommen werden, um sie aktiv abzulehnen.
Hier könnte das seit 3-4 Jahren wieder stärker diskutierte Thema interessant sein: Rolle der Waldorfschulen im 3. Reich, ausgelöst u. a. durch den Artikel von Annika Brockschmidt, „Sind das jetzt alles Nazis?“, auf ZEIT ONLINE, 1. September 2020. Aufmerksam verfolgt haben beide autoren die Publikationen des Bundes der Waldorfschulen und des GOETHEANUMS, die offiziell zu den Rassismus- und Antisemitismusvorwürfen Stellung zu nehmen versuchen: Stuttgarter Erklärung 2007 und 2020 sowie Peter Selg, Constanza Kaliks, Justus Wittich, Gerald Häfner, „Anthroposophie und Rassismus“. Ein Beitrag aus der Goetheanums-Leitung/Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, 2021. Stuttgarter Erklärung Erziehungskunst Goetheanum Stellungnahme Ulrich Kaiser: "Der Erzähler Rudolf Steiner: Studien zur Hermeneutik der Anthroposophie" Weiterführende Links https://www.bpb.de/mediathek/reihen/548523/angekommen-rassismus-schule/ https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/schule-2020/322695/das-recht-auf-bildung-verwirklichen/ https://www.erziehungskunst.de/artikel/berlin-ick-liebe-dir https://www.erziehungskunst.de/artikel/autonomie-statt-autoritarismus https://www.forschung-waldorf.de/publikationen/detail/goebekli-tepe-und-der-prozess-der-sesshaftwerdung-2/ https://p116437.mittwaldserver.info/artikel/leserbriefe/selektive-wahrnehmung/ https://www.erziehungskunst.de/artikel/die-erste-grosse-menschheitsrevolution
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